Auf Grund einer Kombination unterschiedlichster Gründe hatte ich seit knapp einem halben Jahr nicht mehr gedraftet. In ZZZ hatte ich mich ja ziemlich wohl gefühlt (und wenn ich mir die Artikel ansehe, die ich zu Beginn dieses Formats auf dem Planeten veröffentlicht habe, dann kann ich ehrlichen Gewissens sagen, dass selten eine so frühe Analyse eines Limited-Environments sich auch im Nachhinein noch als dermaßen zutreffend herausgestellt hat!)
Nun war unterdessen allerdings Worldwake herausgekommen, und offensichtlich hatten die Dinge sich geändert. Leider ist nirgends im deutschen Sprachraum eine Analyse zu finden gewesen, wie genau denn nun die Unterschiede zwischen ZZZ und ZZW beschaffen waren. Stattdessen bekam man in Nebensätzen bei irgendwelchen Walkthroughs nur mit, dass das Environment offensichtlich vollständig gekippt war; dass Aggro vom Normal- zum Ausnahmefall geworden war und kontrollorientierte Decks das Geschehen dominierten. Wenn bei einem 2nd Pick Merfolk Seastalkers gegriffen wurden, während der im selben Booster befindliche Windrider Eel mit keinem Wort erwähnt wurde, dann waren die vom ZZZ-Draft her bekannten Verhältnisse ja komplett auf den Kopf gestellt!
War das möglich? Ja, das war möglich, denn das Zeitfenster, in dem aggressive Decks ihren Druck aufrecht erhalten können, bevor sie sich in einer gegnerischen Defensive festrennen, ist knapp bemessen, und ein Booster weniger mit unglaublich effizienten frühen Drops und einer Plethora von Breakthrough-Karten, stattdessen aber ein Booster mit deutlich mehr spielverschleppenden Karten konnte aus knappen (aber konstanten) Siegen knappe (aber konstante) Niederlagen machen. Aber war das auch tatsächlich der Fall? Da offensichtlich niemand bereit war, sich der Beantwortung dieser Frage systematisch anzunehmen, musste ich es halt durch Probieren selbst herausfinden.
Gestern draftete ich also zum allerersten Mal ZZW und beschloss, als Arbeitshypothese anzunehmen, dass das Format tatsächlich gekippt war und entsprechend zu picken. Ich liste übrigens die aktuellen Ratings meiner Gegner auf, um zu belegen, dass das Metagame dieses Drafts keineswegs durch Ansammlungen ahnungsloser Drafter verzerrt wurde – tatsächlich könnte man diesen Spielern durchaus zum Beispiel bei der Deutschen Meisterschaft begegnen!
Ein ganz kurzer Abriss meines Draftverlaufs: Crypt of Agadeem reizte mich nicht als Moneypick, und ansonsten war nichts in meinem ersten Booster, was mir annähernd firstpickwürdig erschien. Ich entschied mich daher für einen Territorial Baloth, den ich in ZZZ erst ungefähr 4-5 Picks später wirklich zur Kenntnis genommen hätte, aber ich wollte ja der Theorie folgen, dass ZZW langsam geworden war. Ich bekam dann Journey to Nowhere geschoben und sah schließlich als dritten Pick Merfolk Seastalkers, die in kontrollorientierten Partien eigentlich als Bombe klassifiziert werden müssen. Zugegeben, ich wurde zu keinem Zeitpunkt wirklich in Versuchung geführt, doch wieder auf die gewohnte Aggroschiene einzuschwenken: Steppe Lynx, Plated Geopede, Surrakar Marauder oder Welkin Tern versteckten sich alle vor mir, und gutes Removal in Schwarz oder Rot bekam ich erst recht keines zu sehen. So draftete ich brav Dinge wie Mold Shambler, Cobra Trap, Sky Ruin Drake und Ior Ruin Expedition und richtete mich gedanklich in UG oder UG(w) ein. Firstpick im zweiten Booster war dann eine River Boa, bevor mich eine zweite Journey davon überzeugte, mich eher zum zweieinhalbfarbigen Deck hin zu orientieren. Im dritten Booster machte ich mir dann (nach Firstpick Vapor Snare) spätestens nach dem dritten Surrakar Banisher Sorgen, dass ich vielleicht doch zu viele 5-Drops einsammelte und wunderte mich darüber, dass ich zwei Hammer of Ruin aufschnappen durfte – da hätte ich erwartet, dass die nicht viel später als Trusty Machete aus den Boostern verschwinden würden. Außerdem bestaunte ich zwei Dead Reckoning als ca. achter und neunter Pick, die mir völlig unerklärlich vorkamen – die hätte ich eher nahe an Firstpicks eingeschätzt! – und von denen ich einen hatete. Ganz zum Schluss kamen, so als wären sie nicht gut, noch zwei Khalni Garden bei mir an, die ich mir freudig griff.
Das war dann mein Deck:
7 Island
5 Forest
2 Plains
2 Khalni Garden
1 Soaring Seacliff
1 Graypelt Refuge
1 Caller of Gales
1 River Boa
1 AEther Figment
1 Grazing Gladeheart
1 Greenweaver Druid
2 Mold Shambler
1 Merfolk Seastalkers
3 Surrakar Banisher
2 Territorial Baloth
2 Treasure Hunt
2 Journey to Nowhere
2 Hammer of Ruin
1 Harrow
1 Vapor Snare
1 Mysteries of the Deep
SB:
Spidersilk Net, Quest for the Holy Relic, Kor Hookmaster, Dead Reckoning, Nature’s Claim, Zendikar Farguide (*2), Cobra Trap (*3), Trapfinder’s Trick, Ior Ruin Expedition (*2), Sky Ruin Drake, Highland Berserker, Rolling Terrain
Merkt Ihr etwas? Ein typischer Pischnerdraft – keine einzige Rare… Das Deck besteht natürlich gefühlt zu zwei Dritteln aus Mana und zu einem Drittel aus 5-Drops, aber so ist das eben.
Runde 1 – Stefan Haus, 1888
Stefan ist GW. Er selbst bezeichnet sein Deck als aggressiv, aber ich sehe Dinge wie Battle Hurda und Lightkeeper of Emeria und glaube ihm kein Wort. Das erste Spiel gewinnt er, weil sein Turntimber Basilisk meinen Greenweaver Druid per Primal Bellow abrüstet, und ich zu lange benötige, die magische 5-Manamarke zu erreichen. Eine solide zweistellige Anzahl Züge hat diese Partie trotzdem gedauert. In den nächsten beiden Spielen jedoch ziehe ich mein Mana und kontrolliere ihn via Card Draw, Fatties und Seastalkers aus.
Runde 2 – Thoralf Severin, 1944
Toffel ist fast monorot (blauer Minisplash mit einer Insel und einer Expedition Map) und verlässt sich auf die Lategamepower von Valakut. Auf eine rasche Offensive verzichtet er, und übermäßig viel Removal besitzt er auch nicht. Ich dominiere mit überlegener Kartenqualität und ausgerüsteten Pflanzentoken rasch das Bord, während meine Mold Shambler dafür sorgen, dass ich mir um sein Valakut bzw. seinen Blau-Splash keine Sorgen machen muss. Ich gewinne in 2:0 Spielen, ohne jemals das Gefühl zu haben, in Gefahr zu sein.
Runde 3 – Adrian Rosada, 1918
Auch er ist der Ansicht, dass sein Gb-Haufen doch recht aggressiv sei, und wieder einmal frage ich mich, was so viele Spieler unter Aggro zu verstehen scheinen. Ein Arbor Elf hat in Runde zwei nichts besseres zu tun, als mich zu hauen, ohne Unterstützung zu bekommen; ein Gnarlid Pack betritt als Hügelriese das Board, wird von einem Banisher gebounct, kommt dann als 4/4er wieder und wird (wie es natürlich mein Plan gewesen ist) von Vapor Snare eingefangen. Ich befinde mich nie unter Druck und fahre in aller Ruhe auf dem Rücken meiner blauen Karten einen 3:0 Sieg nach Hause (wir machen noch ein drittes Spiel, wo ich bis Runde 5 nur eine Kreatur lege und trotzdem mühelos das Spiel kippe – nein, Leute, Aggro geht anders!)
Runde 4 – Ramon Masek, 1778
Da ich der einzige Spieler mit 9 Punkten bin, ist ein ID leider keine Option (ich hätte es bevorzugt, rasch etwas zu essen und dann einen zweiten Draft zu machen). Ramon ist der erste Gegner, dessen Deck mir gefällt – UW-Beatdown mit niedriger Kurve und wohldosierten Mengen an verstärkenden Equipments und Bounce. Das erste Spiel verliere ich, weil ich zu langsam ins Spiel gelange, dann auch noch eine Whiplash Trap abbekomme und schließlich bei der letzten Chance, mich am Leben zu erhalten, mit Journey of Nowhere auf die falsche Kreatur ziele (das müsst Ihr Euch genau so vorstellen, wie ich es sage: Ich halte meine Journey einfach an die falsche Stelle und merke das erst ein paar Sekunden später). Im zweiten Spiel gelingt es mir, nicht zuletzt auch dank meines Caller of the Gales, mich zu stabilisieren (plötzlich sind Ramons ganze kleine Flieger abgestellt), und als meine gesideboardeten Spidersilk Net und Sky Ruin Drake sich hinzu gesellen, und der Gladeheart meine Lebenspunkte wieder über 20 bringt, kann ich dieses Spiel eigentlich nicht mehr verlieren. Da ich angesichts von Ramons größeren Optionen (er hat Living Tsunami mit Halimar Depths / Kabira Crossroads am Laufen) sehr konservativ spiele, brauche ich allerdings sehr lange, um zu gewinnen – wenn die Rundenzeit sich nicht plötzlich auf merkwürdige Weise verkürzt hätte (die wird im ASL leider nur Pi mal Daumen gemessen), hätte ich glatt über Decktod gewonnen, aber so powerte ich mit Islandwalk, Unblockbarkeit und schließlich mit einer Übermacht an Fliegern (nachdem ein fliegender Baloth via Harrow Ramons Hälfte des Boards dezimiert hatte) in den Extrazügen den notwendigen Schaden durch. Also DOCH ein Draw, nur dass wir eine knappe Stunde dafür gebraucht hatten (und für einen zweiten Draft war es mir jetzt auch zu spät).
Fazit: Um Himmels Willen – das Format ist ja TATSÄCHLICH so langsam geworden! In dreieinhalb von vier Runden habe ich Kontrollmatchups gespielt (und in der Zeit, welche diese Matches benötigten, hätte ich in ZZZ ca. drei Mal so viele Partien beenden können…). Ein Glück, dass ich von früher noch weiß, wie man in langsamen Limited-Formaten Kontrolle draftet und spielt. Vor allem meinem Deck ist wohl der Hauptteil des Verdienstes für meinen Turniersieg zuzusprechen (ich habe aber schon immer besser gedraftet als gespielt).
Ach ja, mein zweitbeeindruckendstes Play: Mit Seastalkers meinen eigenen Mold Shambler zu tappen, um ihn mir via Surrakar Banisher wieder auf die Hand schicken zu können und irgendetwas Relevantes damit zu zerstören. Warum ist das so beeindruckend? Weil man dafür eine Million Mana und ein unendlich gestalltes Board benötigt. Das wäre in ZZZ nie passiert!
Mein beeindruckendstes Play: Mit Seastalkers meinen eigenen Mold Shambler zu tappen, um ihn mir via Surrakar Banisher wieder auf die Hand schicken zu können und irgendetwas Relevantes damit zu zerstören. Warum ist das sogar noch beeindruckender als eben schon? Weil ich meinen Shambler schon am Ende der gegnerischen Runde getappt habe, um Mana zu sparen… Schon ganz gut, dass ich nicht mehr den Ehrgeiz habe, auf professioneller Ebene zu zocken…
Jetzt habe ich also noch einmal drei Booster mehr und frage mich, was ich damit machen soll. Nächste Woche rasch noch einmal ZZW draften, oder dem absolut furchtbar aussehenden ROE-Limited eine Chance geben? Oder vielleicht besser auf M11 bzw. Scars of Mirrodin warten? Hm.
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